Honda treibt die Elektrifizierung voran. Die zunehmende Vielfalt von Hybrid- und Elektroantrieben wird immer komplexer und bringt einen erheblichen Mehraufwand bei der Steuergeräte-Applikation mit sich. Bislang mussten Kalibrierungsexperten Tausende von Diagrammen durchsuchen, um sich in der Masse der Messgrößen, Signalflüsse, Einstellungen und Abhängigkeiten in der Steuergerätesoftware zurechtzufinden. Seit Honda EHANDBOOK von ETAS einsetzt, ist Schluss mit diesem zeit- und nervenaufreibenden Prozess. Die interaktive Dokumentation ermöglicht einen schnellen und präzisen Wechsel zwischen Übersichts- und Detailansichten. Kalibrier- und Messexperten sparen wertvolle Zeit und können sich auf die Feinabstimmung der Antriebsstrang-Steuerparameter konzentrieren.
Dass bei der Kalibrierung und dem Testen von Steuergerätesoftware auch Fehler auftreten, ist eine natürliche Sache. Doch für die Spezialisten, die die Tests durchführen, beginnt hier das Rätselraten. In der Regel sind sie nicht mit allen Details der Softwarespezifikationen vertraut, da diese in einem früheren Stadium von anderen Funktions- und Softwareentwicklungsteams, teilweise intern oder extern, definiert wurden. Diese liefern ihnen zwar eine umfangreiche und detaillierte Dokumentation. Um aber die Fehlerursache zu finden, müssen sich Kalibrier- und Testingenieure schnell einen Überblick über die Softwarespezifikationen verschaffen.
Bei einer Dokumentation, die aus der Sicht der Softwareentwickler geschrieben wurde, ist dies keine leichte Aufgabe. Wie laufen die Signalflüsse ab? Welche Bedeutung haben die Messgrößen? Wie wirkt sich das Verstellen von Parametern aus? Und welche Funktionsstörungen sind zu erwarten? Was schon bei voll funktionsfähiger Software eine komplexe Aufgabe ist, wird beim Auftreten von Fehlern zu zeit- und nervenaufreibender Detektivarbeit, oft unter großem Zeitdruck?
Vielfalt an Antriebskonzepten erhöht Softwareumfang
Solche Ineffizienzen können sich Automobilhersteller angesichts des rasant wachsenden Umfangs der Steuergerätesoftware und ihrer Spezifikationen nicht mehr leisten. Zumal die zunehmende Vielfalt der Antriebskonzepte, das automatisierte Fahren und die wachsende Konnektivität den Funktionsumfang zentraler Steuergeräte drastisch erweitern - und damit auch die Komplexität der Applikation.
Honda ist da keine Ausnahme. Das Unternehmen treibt seine Elektrifizierungsstrategie konsequent voran und hat in den letzten Jahren mehr als ein Dutzend Hybride (HEV), Plug-in-Hybride (PHEV) und Null-Emissions-Fahrzeuge (ZEV) entwickelt. Dabei wurde die konzerneigene Hybridarchitektur "e:HEV" über drei Modellgenerationen hinweg auf Effizienz, Agilität und Fahrkomfort optimiert. Im Zuge dieser Entwicklung sind die Spezifikationen und der Kalibrierungsaufwand deutlich gestiegen (Abb. 1). Die Feinabstimmung und das Testen der Steuergerätefunktionen wird von Modellgeneration zu Modellgeneration aufgrund der komplexen Hybridstrategie und der steigenden Effizienz- und Qualitätsanforderungen immer komplizierter.
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Dennoch müssen sich die ausführenden Spezialisten in jedem Fall schnell einen Überblick verschaffen und ein Grundverständnis für die Software, ihre Funktionen und Spezifikationen entwickeln. Dies beginnt mit der grundsätzlichen Frage, welche Funktion genau durch die Eingabe von Variablen beeinflusst wird, wie sich diese Veränderung auf das Fahrzeugverhalten auswirkt und inwieweit Korrelationen und Abhängigkeiten mit anderen Einstellungen auftreten. Allein diese Einarbeitung ist zeitaufwändig. Noch mehr gilt das für die oben beschriebene Detektivarbeit bei der Suche nach den Ursachen von auftretenden Fehlern. "Vor allem die Fehlersuche nimmt viel Zeit in Anspruch", räumen die Verantwortlichen ein.
Intelligente, interaktive Dokumentation
Honda ist von der manuellen Suche in der Pdf-Dokumentation zu einem intelligenten interaktiven Prozess übergegangen, damit die Kalibrierungsspezialisten nicht lange nach Antworten suchen müssen und die Details der Messgrößen und Signalflüsse schneller verstehen können.
ETAS EHANDBOOK ist der Schlüssel: Bisher verteilte Dokumentationen werden zusammengeführt, so dass Nutzerinnen und Nutzer schnell und gezielt zwischen Übersichtsebene und Detailansicht navigieren können. Die im EHANDBOOK präsentierten Informationen werden bereits bei der Erstellung der automatisch generierten Software-Dokumentation intelligent verknüpft, ergänzt und indiziert.
Dabei sammelt der Build-Prozess Metadaten über Funktionen sowie Mess- und Kennwerte aus verschiedenen Quellen und speichert sie in einer zentralen Datenbank, die in der EHANDBOOK Container-Datei enthalten ist. Die Metadaten ermöglichen die Darstellung der Zusammenhänge von Funktionen sowie die Anzeige von Detailinformationen zu einzelnen Elementen direkt im Text oder im Modell. EHANDBOOK schafft schnell Klarheit durch lückenlose grafische Übersichten der Steuergerätesoftware. Hilfreich ist auch die Möglichkeit, schnell zwischen der funktionsübergreifenden Darstellung und einzelnen Steuergerätefunktionen zu wechseln.
"Die Effizienz unserer Analyse- und Ermittlungsarbeit hat sich im Vergleich zu der Zeit vor der Einführung von EHANDBOOK deutlich erhöht."
EHANDBOOK führt mehrere Software- und Funktionsentwicklungsdokumentationen nahtlos zusammen. Durch diese Zusammenführung in einer Benutzeroberfläche müssen Nutzerinnen und Nutzer nicht mehr zwischen mehreren parallel geöffneten Dateien wechseln. Zudem bleibt beim Aufruf von Detailansichten die Gesamtansicht sichtbar, was die Orientierung im System erleichtert. EHANDBOOK kann grafische Darstellungen der Steuergerätesoftware in Form von interaktiven Modellen der jeweiligen Simulink®- oder ASCET-Modelle anzeigen. Ohne zu scrollen können die Honda-Spezialisten Mess- und Applikationsparameter in den Modellen finden und relevante Signalflüsse verfolgen. Dank dieser durchgängigen grafischen Darstellung aller Funktionen der jeweiligen Steuergeräte-Software in interaktiven Modellen können sie Abhängigkeiten viel schneller verstehen, auf Details zugreifen und behalten dennoch den Überblick über das System.
Interaktion mit Mess- und Kalibrierungsinstrumenten
Diese Visualisierung erleichtert dem Honda-Team nicht nur die Navigation durch die hochkomplexe Materie, EHANDBOOK kann auch mit Mess- und Kalibrierungswerkzeugen wie ETAS INCA und MDA 8 gekoppelt werden, so dass die Kalibrierungsingenieure dieses Wissen nahtlos in ihre bestehenden Arbeitsabläufe übernehmen können. Gerade bei der Ursachenanalyse von Fehlern ist diese Kopplungsmöglichkeit eine große Hilfe. Schließlich können sie mit den Messwerkzeugen bei Testläufen eine große Anzahl von Signalen erfassen. Mögliche Fehlerursachen können mit MDA 8 in Kombination mit EHANDBOOK schneller identifiziert werden. Dazu übernimmt EHANDBOOK Messdaten aus dem MDA 8 und macht sie im Signalweg sichtbar. Damit bietet das interaktive System den Experten einen Ausgangspunkt, von dem aus sie die systematische Analyse der Berechnungs- und Entscheidungsketten der Software beginnen können. In den meisten Fällen werden die Zusammenhänge und Fehlerursachen schnell sichtbar.
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Die bisher zeitaufwändige Kalibrierung komplexer Funktionen und die Fehlersuche werden dadurch deutlich beschleunigt, was angesichts der eng getakteten Aufgaben in diesem späten Stadium der Fahrzeugentwicklung eine spürbare Arbeitserleichterung bedeutet. Auch die komfortablen Suchfunktionen, das einfache Umschalten zwischen verschiedenen System-, Anzeige- und Aufgabenebenen sowie die vereinfachte Möglichkeit, Zusammenhänge zwischen den einzelnen Spezifikationen von Steuergerätefunktionen nachzuvollziehen und Kalibrierungsfestwerte innerhalb der Spezifikationen zu bestätigen, haben sich nach Angaben der beteiligten Honda-Spezialisten sehr positiv auf ihre Arbeitsabläufe ausgewirkt.
Sie schlussfolgern: "Da es jetzt viel einfacher ist, das Verhalten bei realen Fahrzeugtests zu überprüfen und zu verstehen, hat sich die Effizienz unserer Analyse- und Untersuchungsarbeit im Vergleich zu der Zeit vor der Einführung von EHANDBOOK deutlich erhöht."
Messbare Effizienzvorteile bei der Kalibrierung
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Die Honda-Entwickler sagen, dass EHANDBOOK zu einer erhöhten operativen Effizienz im Feld geführt hat. Vereinfacht ausgedrückt ist es wie der Wechsel von einem gedruckten Straßenatlas zu einem elektronischen Navigationssystem. Internen Analysen zufolge spart die Möglichkeit, die äußerst umfangreiche Software-Dokumentation schnell nach bestimmten Fragen zu durchsuchen, Zeit.
Die Anzahl der Arbeitsstunden, die mit dem Durchsuchen der Spezifikationen verbracht werden, wird um etwa 2/3 reduziert. Wertvolle Zeit, die die hochqualifizierten Kalibrier- und Prüfspezialisten nun für ihre eigentlichen Aufgaben in der Steuergeräte-Applikation und in der Feinabstimmung der Antriebsstrang-Steuerparameter nutzen können.
Die Nutzung der interaktiven Dokumentation wird erweitert
Angesichts der positiven Erfahrungen plant Honda, den Einsatz von EHANBOOK auszuweiten und es auch für die Steuergerätekalibrierung in anderen Bereichen zu verwenden. Daher arbeitet das Unternehmen an der Optimierung der Erstbefüllung des EHANDBOOK-Containers. "Unser Ziel ist es, die Vorbereitungszeit durch die Automatisierung der Honda-spezifischen Vorverarbeitung zu minimieren, damit wir die Effizienzvorteile von EHANDBOOK in Zukunft noch stärker nutzen können", berichten die Projektverantwortlichen. Mit seiner hohen Benutzerfreundlichkeit ist das interaktive Handbuch eine große Hilfe bei der Bewältigung der Herausforderungen der Elektrifizierung - und bei der Bewältigung des zukünftig steigenden Kalibrierungs- und Testaufwands von Steuergerätesoftware.
Autor
Tomoharu Oowaki ist Field Application Engineer und EHANDBOOK-Experte bei ETAS in Japan in Zusammenarbeit mit Yui Nishio, Assistant Chief Engineer in der Energy System Design Development Supervisory Unit der Honda Motor Corporation in Japan.
Übersetzter Artikel "Hondas Applikateure kommen schneller ans Ziel", Hanser automotive, 04/2022
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